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"Das Bier der Kenner"

 

In der mehr als 1100-jährigen Geschichte Walsheims nimmt die Walsheim-Brauerei eines der wichtigsten Kapitel ein, welches erst durch den Abriss der alten Gebäudeteile in den Jahren 1981/82 abgeschlossen worden ist. In welchem Jahr man in Walsheim mit dem Bierbrauen begonnen hat, kann man nicht exakt datieren; sicherlich muss es in den Jahren 1840 - 1850 gewesen sein, da sich der Brauereigründer Friedrich Christian Schmidt zwischen 1830 und 1840 nachweislich noch als Brauergeselle auf der "Walz" in Frankreich befand. Erst nach seiner Einheirat in Walsheim - er ehelichte im Jahre 1840 Elisabeth Maria Lugenbiel - und der damit gewonnenen Mitgift in Form entsprechender Grundstücke waren die Voraussetzungen für sein Unternehmen geschaffen. Anfangs betrieb er noch in Zweibrücken eine Küferei, bevor er in Walsheim mit dem Bierbrauen begann.

Friedrich Christian Schmidt,

Gründer der Walsheim-Brauerei

Jahre später hat man den 2. September 1848 als offizielles Gründungsdatum der Walsheim-Brauerei angenommen, wie aus einem alten Foto, aufgenommen anlässlich eines Jubiläums im Jahre 1888, hervorgeht.

Noch bis ins 19. Jahrhundert war das Bierbrauen nicht die Angelegenheit von Großbrauereien, sondern gerade in den ländlichen Gebieten wurde häufig - als Nebenerwerb - Bier gebraut, vergleichbar den Schnapsbrennereien, wie sie sich heute noch vereinzelt im Bliesgau erhalten haben. So gab es im 19. Jahrhundert allein im Saargebiet noch über hundert kleinere Brauereien, allein im Saar-Pfalz-Kreis über zwanzig.

50jähriges (?) Jubiläum am 2. September 1888

Nun ist es jedoch bei der Schmidtschen Brauerei nicht - wie bei den meisten - bei einem kleinen ländlichen Unternehmen geblieben, sondern der Betrieb nahm einen so raschen Aufschwung, dass er bereits 50 Jahre später - ohne zu übertreiben - als "Großbrauerei von Weltruf" angesehen werden durfte. Wie ist dieser Aufstieg zu erklären?

Die Gründung der Walsheim-Brauerei fällt zunächst in eine Epoche, welche allgemein als Geburtsstunde der Industrialisierung gilt. Gerade auf dem Gebiet der Brautechnik gab es eine Reihe von Erfindungen, welche erstmals das Bierbrauen in größerem Rahmen möglich werden ließen: es sei hier nur an die von Linde entwickelte Kältemaschine, die bakteriologischen Erkenntnisse Pasteurs oder die erstmalige Züchtung von Reinhefezuchten in Dänemark erinnert. Gab es bisher beim Brauen noch immer eine Reihe von Risikofaktoren, so konnte man nun auf wissenschaftliche Ergebnisse zurückgreifen und die bis dahin auftretenden, aber nicht zu klärenden Fehlerquellen beseitigen. Die junge Walsheimer Brauerei konnte sich somit von Anfang an - neben der reichen Erfahrung einer langen Brautradition - auch neuester, für das Braugewerbe entscheidender wissenschaftlicher Erkenntnisse bedienen.

Neben diesen überaus günstigen technischen Bedingungen müssen aber auch die hervorragenden, natürlichen Voraussetzungen zum Bierbrauen genannt werden, welche im südlichen Bliesgau anzutreffen sind. Bei der Herstellung von Bier spielt das Wasser bekanntlich eine sehr bedeutende Rolle. Nun liefert der Muschelkalk um Walsheim ein vor allem zum Brauen von Dunkelbier vorzügliches Quellwasser, in seiner chemischen Zusammensetzung mit dem Brauwasser berühmter Münchener Brauereien vergleichbar. Auch dieses Wasser - in Verbindung mit der ozonreichen Luft - war ein Faktor, welcher hier - im unteren Bliestal - ein Spitzenbier gedeihen ließ.

Als im Jahre 1867 der aus Waldmohr stammende Otto Guttenberger eine Tochter von Schmidt heiratete und zusammen mit seinem Schwager Karl Schmidt zum Teilhaber der Brauerei wurde, war das Unternehmen noch reiner Familienbetrieb. Erst als es größerer Investitionen bedurfte, um bei der technischen Entwicklung Schritt halten zu können, entschloss man sich zur Umwandlung des Betriebes in eine Aktiengesellschaft. So führte die Brauerei etwa ab der Jahrhundertwende den offiziellen Firmennamen "Bayerische Brauereigesellschaft vorm. Schmidt und Guttenberger".

 

Die Walsheim Brauerei um 1900

Trotz einiger Rückschläge, welche man beispielsweise mit dem neu errichteten Kraftwerk in Gersheim erlebte, machten sich die Investitionen rasch bezahlt: Die Bierlieferungen gingen bald über das untere Bliestal hinaus. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts belieferte man den gesamten elsässisch-lothringischen Raum, bereits seit 1870 wurde Walsheim-Bier in der mondänen Weltstadt Paris ausgeschenkt. Der Bierausstoß lag um die Jahrhundertwende bei einem Jahresvolumen von 50.000hl. Wurde der saarpfälzische Raum in der damaligen Zeit vor allem von Brauereien aus Zweibrücken versorgt, so änderte sich dies nach dem Ersten Weltkrieg.

Durch den Versailler Vertrag verlor die Walsheim-Brauerei ihren bisherigen Kundenstamm in Elsass-Lothringen und konnte zur Entschädigung einen großen Teil der saarpfälzischen Kundschaft übernehmen; denn die pfälzischen Brauereien, bisher die Hauptlieferanten, hatten durch die hohen Einfuhrzölle ihr Interesse am Saargebiet verloren. In einem Vertrag des Jahres 1922 trat die damalige Park- und Bürgerbräu Zweibrücken eine Liefermenge von 72.000 hl an die Walsheim-Brauerei ab. So blieb die Weiterexistenz des Unternehmens gesichert.

In den Zeiten der wirtschaftlichen Unsicherheit um 1922 hatten die Familien Schmidt und Guttenberger einen großen Teil der Aktien an einen finanzkräftigen Investor, den Chemiker Dr. Hans Kanter aus Berlin, verkauft. Die Brauerei wurde nun in "Walsheim Brauerei AG" umbenannt. Durch den Zukauf weitere Wertpapiere konnte sich Dr. Kanter die Aktienmehrheit sichern und bestimmte fortan das weitere Schicksal der WaIsheim-Brauerei. Er war es, der das mittlerweile schon beachtliche Unternehmen zur leistungsfähigen Großbrauerei ausbaute.

Es folgten in den zwanziger Jahren eine Reihe von Umbauten sowie der Neubau größerer und moderner Gebäudeanlagen, welche das äußere Erscheinungsbild der Brauerei völlig veränderten. 1924-1928 entstanden eine neue Mälzerei, ein größeres Sudhaus und der turmartige Bau des Gärkellers (Rostock-Bau), welcher noch bis Anfang der achtziger Jahre das Ortsbild Walsheims geprägt hatte.

Walsheim-Brauerei mit neuem Lagertank um 1930

Mit dem Ausbau der Walsheim-Brauerei zur größten saarländischen Brauerei waren die Voraussetzungen für eine Ausdehnung der Bierexporte geschaffen: Mit einem Jahresbierausstoß, der Anfang der dreißiger Jahre bei etwa 300.000 hl lag, belieferte man nicht nur viele Teile Europas, sondern vor allem auch die damaligen französischen Kolonien. So trank man das beliebte Walsheim-Bier auch in Algier, Beirut, Madagaskar und sogar in einzelnen Großstädten Südamerikas.

Nach einer statistischen Erhebung über das Saarländische Brauereiwesen vom 19. Mai 1934 gehörte die Walsheim-Brauerei - neben der Neufang-Jänisch- und der Becker-Brauerei – noch nach der Machtergreifung Hitlers zu den führenden Brauereien im Saarland.  Doch schon ein Jahr später, dem Jahr der Saarabstimmung, bahnte sich eine für die Walsheim-Brauerei verhängnisvolle Entwicklung an. Dr. Kanter, der Hauptaktionär des Unternehmens, wurde durch von den Nationalsozialisten betriebene Machenschaften als Vorstand der Brauerei abgelöst; Anzeichen sprechen dafür, dass antisemitische Motive zur dieser Enteignung führten: die Mutter von Dr. Kanter war Jüdin. So wurde die Walsheim-Brauerei in der Folgezeit von der NS-Propaganda häufig als "Juden-Brauerei" beschimpft. Ein von den Nationalsozialisten eingesetzter neuer Vorstand scheint die Brauerei gezielt in den Konkurs getrieben zu haben. Weitere personelle Umbesetzungen und innerbetriebliche Veränderungen mussten den Niedergang der Brauerei zudem beschleunigen.

Walsheim-Brauerei vor dem Zweiten Weltkrieg

(Zeichnung von Fritz Schmidt)

Nach der Evakuierung Walsheims im September 1939 wurden die Brauereianlagen von französischen Truppen beschossen. Die Schäden blieben relativ gering: Getroffen wurden vor allem die Innenhöfe der Brauerei; außerdem wurden die Dächer der brauereieigenen Wohnhäuser und Stallungen zerstört. Das Ausmaß dieser Zerstörungen wurde allerdings durch den strengen Winter der Jahre 1939/40 noch vergrößert.

Dennoch schien zunächst einem baldigen Wiederaufbau und der erneuten Inbetriebnahme der Brauerei nichts im Wege zu stehen. Die Genehmigung dazu lag bereits vor, wurde dann aber überraschenderweise vom damaligen Gauleiter Bürkel wieder zurückgenommen. Während die Mehrzahl der Walsheimer Bevölkerung noch immer mit einer raschen Wiederinbetriebnahme der Brauerei rechnete, wurden solche Hoffnungen durch eine Entscheidung des Brauereiwirtschaftsverbandes Köln vom 20. Juni 1942 zunichte, als die Kundschaft der Walsheimer Brauerei anderen saarpfälzischen Brauereien übertragen wurde.

Diese Kölner Maßnahme gründete auf einem zweifelhaften Gutachten über den Zustand der Brauereianlagen, infolge dessen dem Unternehmen die Konzession zum Bierbrauen entzogen worden war.

Obgleich diese Entscheidung in der Walsheimer Bevölkerung nicht widerspruchslos aufgenommen wurde - ein Gegengutachten wurde erstellt, eine Reihe von Eingaben an die übergeordneten Behörden bis nach Berlin verfasst - begann bereits bald darauf der Abtransport der Maschinen - ein Teil davon wurde von Kriegsteilnehmern später in der Soldatenbrauerei Minsk in Russland gesichtet - und der Verkauf der Gebäudeanlagen.

Was übrig blieb, wurde geplündert und zerstört. Der vernichtende Bombenangriff des Jahres 1945, durch den die wichtigsten Teile der Brauerei wie die Mälzerei und die Speicheranlagen völlig zerstört wurden, brachte dann das endgültige Aus, doch besiegelt war das Schicksal der Waisheim-Brauerei schon vorher. In der Folgezeit dienten die alten Gebäudeteile - teilweise renoviert - einer Reihe verschiedener Firmen als Produktions- oder Lagerstätten, bis sie, von der Gemeinde Gersheim aufgekauft, im Winter 1981/82 abgerissen wurden.

Der Lagerturm der Brauerei - lange Zeit das Wahrzeichen von Walsheim

(Zeichnung Martin Wolter)

Dabei wurde auch der architekturgeschichtlich interessante Brauereiturm (Rostock-Tankturm im Bauhaus-Stil) zerstört. Lediglich einen Teil der alten Gewölbekeller, mit 16 Kuppeln, welche zum ältesten Kern der Brauerei gehören, ließ man stehen. Doch bis heute hat man noch keine dauerhaften Maßnahmen zum Erhalt dieser Anlagen eingeleitet, so dass zu befürchten ist, dass auch die letzten Reste der einst so ruhmreichen Walsheim-Brauerei - aus mangelndem Bewusstsein gegenüber ihrer geschichtlichen und insbesondere heimatgeschichtlichen Bedeutung - bald verschwunden sein dürften.

 

Nachtrag (von Heinz Höfler)

Nach dem Kriege 1946 hat der Geschäftsführende Gesellschafter der Karlsberg-Brauerei in Homburg, Dr. Paul Weber, sehr schnell erkannt, welchen Wert die Marke ,,Walsheim" als Exportmarke hatte. Der Hauptaktionär der in Liquidation befindlichen Walsheim-Brauerei AG war die französische Bank ,,Credit Commercial de France". Mit ihr wurde ein Vertrag geschlossen, demzufolge Karlsberg den Auftrag erhielt, für die Vertriebsgesellschaft ,,Sobibo", später ,,Union Financière de la Brasserie" mit Sitz in Paris, Bier im Fass, in Flaschen und Dosen unter der Bezeichnung ,,Walsheim" für den Export nach Frankreich herzustellen. Noch lange Zeit wurde dieses Bier in Frankreich getrunken.

 

aus: Walsheim und seine Geschichte, Homburg 1988, S.224ff. in Überarbeitung von Martin Wolter 2005

e-Mail:  martinwolter@web.de

 


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